Service, ein Luxusgut?
Service, ein Luxusgut?
Die Schweiz ist berühmt für ihre Uhren, für ihren Käse, für Schokolade und Bankgeschäfte. Als Dienstleister sind die Schweizer nicht berühmt. Zu Unrecht, meint bonaLifestyle.
Von Christian Breitschmid, bonaLifestyle
Manchmal, zum Glück nur manchmal, ist es beelendend, ein Schweizer Wirtshaus zu betreten. Man kann da nämlich, selten, so behandelt werden, als wäre man weder Kunde, noch Mensch, noch beachtenswert. Dann möchte man sich, vielleicht, vornehmen, nie wieder einen Fuss in ein solches Etablissement zu setzen, weil man sich ganz einfach nicht schlecht fühlen will, nur weil man Appetit hatte oder Lust, sich etwas zu leisten. Ja, Serviceangestellte gehören nicht zu den Spitzenverdienern. Aber ein zufriedener Kunde ist doch einer, der wiederkommt, der noch Freunde mitbringt und der einen guten Service mit einem entsprechenden Trinkgeld honoriert. Was stimmt hier nicht? Was läuft falsch im Lande von Kühen, Käse und Kohle? Wenn wir Jahr für Jahr Medaillen, Sterne und Gault-Millau-Punkte ins Reich der Alphornbläser und Talerschwinger holen, warum lassen wir dann den Gästen grossartige Produkte von bärbeissigem Behelfspersonal vorwerfen?
Wenn man bei den höchsten Vertretern schweizerischer Gastfreundschaft und professioneller Serviceleistungen nachfragt, dann ist die Antwort eine einfache: Guten Service muss man sich leisten können. Ein passendes Bonmot dazu soll auf den amerikanischen Industriellen Henry Ford (1863–1947) zurückgehen: «Vor dem Verdienen steht das Dienen.» Die Verbandsmitglieder von hotelleriesuisse und von Les Clefs d’Or, der internationalen Vereinigung der Hotel-Concierges, haben verstanden, was damit gemeint ist. Es geht darum, ein perfekter Gastgeber zu sein, seine eigenen Talente und Fähigkeiten ganz in den Dienst des Kunden zu stellen, vertrauenswürdig zu sein und zuverlässig.
Dass der Service top ausgebildeter Spezialisten seinen Preis hat, versteht sich für Gäste von 5-Sterne-Hotels von selbst. Auf den Hinweis, dass viele Schweizer in den Ferien lieber nach Österreich oder Deutschland fahren, weil sie dort zuvorkommender behandelt würden, entgegnet der Leiter Kommunikation von hotelleriesuisse, Manuel Staub: «Der Buchungsentscheid fällt über das Angebot und dessen Preis-Leistungs-Verhältnis. Dass die Österreicher per se freundlicher sind als die Schweizer, ist ein unbelegter Mythos, der in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer wieder heraufbeschworen wird. Den österreichischen Schmäh können Schweizer vielleicht nicht kopieren. Aber schlechtere Gastgeber sind wir deswegen nicht. Die Schweiz hat die besten Hotelfachschulen der Welt, und ihre Absolventen sind, unabhängig von ihrer Nationalität, als Dienstleister sehr gefragt.»
Vor dem Verdienen steht das Dienen.
Henry Ford

Wie wahr dieses Wort ist, zeigt unter anderem die Tatsache, dass Jean- Claude Biver, CEO der Uhrenmanufaktur Hublot SA, in all seinen Boutiquen auf der ganzen Welt nur Concierges von Les Clefs d’Or einstellt. Den Grund dafür hat er in einem Referat anlässlich des 61. Kongresses von Les Clefs d‘Or International in Kuala Lumpur Anfang dieses Jahres erklärt: «Der Concierge ist die Seele eines Hotels. Die Seele ist dem Herzen verbunden, und das Herz steht für Liebe. Jedes Mal, wenn ich in ein Hotel komme, seit mehr als 50 Jahren, sehe ich mir zuerst den Concierge an. Macht der Concierge einen guten Eindruck, dann ist das Hotel gut. Concierge bedeutet Erfahrung, Dienstleistung und Liebe – das bedeutet alles. Wenn wir weniger wollen, dann sind wir in einem Duty-free-Shop. Was aber heisst Liebe? Liebe heisst Leidenschaft, aber auch Dienst, Zuhören, Respekt, Höflichkeit, und all dies wird geliefert vom Concierge. Liebe ist ewig. Geld kann verloren gehen, Liebe nicht. Was Sie an Liebe geben, das bleibt. Darum halte ich den Beruf des Concierge für einen der schönsten auf der ganzen Welt.»

Tatsächlich entspricht die Inanspruchnahme von Concierge-Dienstleistungen einem starken Trend unserer Tage. Aus dem Überangebot von Konsum-, Dienstleistungs- und Informationsangeboten gezielt das passende herauszugreifen, verlangt ein hohes Mass an Lebenserfahrung und Branchenkenntnis. Wissen, welches weder dem 5-Sterne- Gast, noch der Mieterin einer Alterswohnung oder dem Irrenden im Detailhandelsgeschäft permanent auf Abruf bereitsteht. Darum setzen immer mehr Firmen, Organisationen und Verwaltungen auf den Einsatz von Concierges. Wegweisend in dieser Richtung arbeitet etwa bonacasa mit ihrem umfassenden Dienstleistungsangebot für Privat- wie Geschäftskunden. Aber auch alteingesessene Grossunternehmen haben erkannt, dass die Qualität einer Ware steigt, wenn man den Kunden richtig betreut. Erstaunlich an diesen Angeboten ist in der Tat, dass sie für Otto Normalverbraucher absolut erschwinglich sind. Es sind kleine aber wirkungsvolle Zeichen, die davon zeugen, dass ein Umdenken stattgefunden hat.

So gehört es etwa beim Detailhändler Coop zum Grundverständnis von Kundenbetreuung, dass man den Kunden persönlich zu einem gesuchten Artikel führt, wenn er diesen nicht finden kann. «Ein eigentliches Geheimrezept haben wir nicht», gesteht Benni Lurvink, Leiter Ausbildung bei Coop, «aber es fängt bei der Selektion der Lernenden an. Wir bilden jedes Jahr rund 1'000 neue junge Mitarbeitende aus. In der einwöchigen Schnupperlehre erkennen wir schnell, ob ein Kandidat die richtige Motivation und Haltung mitbringt, ob er gerne auf Menschen zugeht. Es braucht Freude am Beruf, Neugier, Offenheit, dazu dann die nötige Fachkompetenz und immer ein offenes Ohr für die Kunden sowie ein Lachen im Gesicht.»
Ein Credo, das auch in der Fachwelt geschätzt wird. So wurde Coop im vergangenen Jahr der «Grosse Preis der Berufsbildung» der Hans Huber Stiftung zugesprochen. Das Personal fachlich und von der Dienstleistung her auf hohem Niveau zu halten, bedeute natürlich einen finanziellen Mehraufwand, fügt Lurvink an, darum stimmt es ihn dann schon nachdenklich, wenn Kunden sich in einer Detailhandelsfiliale bezüglich spezifischer Produkte vom Personal beraten liessen und dasselbe Produkt dann für ein paar Franken billiger im Onlinehandel bestellten. Zum Dienstleister muss man ihn offensichtlich ausbilden, den Schweizer; sparen, das kann er von allein.