Formvollendet
Er gehört zu den gefragtesten Designern der Schweiz und entwickelt in seiner Agentur in Zürich neben Möbeln auch Architekturprojekte, Innenräume und Szenografien: Stephan Hürlemann. Der international Arbeitende Designer konnte nun auch für eine Koorperation mit bonacasa gewonnen werden. Gemeinsam mit dem Unternehmen mit Sitz in Solothurn entwickelt er ein neues Architekturkonzept. Im Interview mit bonaLifestyle spricht er von Design und erklärt, warum es sich stets lohnt in Qualität zu investieren.
Ein Text von Simone Leitner, erschienen in «bonaLifestyle», Ausgabe 1/2017.
bonaLifestyle: Der Begriff «Design» ist bei Einrichtungsobjekten in aller Munde, können Sie ihn überhaupt noch hören?
Stephan Hürlemann: Das Prädikat «Design» wird tatsächlich inflationär eingesetzt. Vieles soll dadurch eine Aufwertung erfahren. Unabhängig davon ist der Begriff so stark in unserer Kultur verankert, dass wir wohl oder übel darauf zurückgreifen müssen.

Als renommierter Architekt und Designer haben Sie für de Sede und andere grosse Namen Möbel und Objekte entwickelt. Wie lange arbeiteten Sie beispielsweise an Ihrem Sofa DS-77 für de Sede?
Beim DS-77 dauerte der Prozess vom Entwurf bis zum fertigen Sofa zirka ein Jahr. Die Entwicklungszeit variiert jedoch von Projekt zu Projekt stark. Nicht selten verstreichen mehrere Jahre, bis die Idee als fertiges Produkt lanciert wird.
Aufwendig und geistreich entwickelte Möbel haben kein Verfallsdatum. Entspricht das immer noch dem heutigen Zeitgeist? Oder werden auch hochwertige Designmöbel eher mal ersetzt?
Ob ein Produkt zum Klassiker wird, lässt sich nicht voraussagen. Mit Aufwand hat das oft nichts zu tun. Auch schlichte Entwürfe, die rasch entwickelt werden, können überdauern. Natürlich halten hochwertige Produkte länger, es gibt aber auch Hochwertiges, an dem man sich schnell sattsieht. In den letzten Jahren hat sich der Erneuerungsdruck erhöht. Dadurch ist es viel schwieriger geworden, ein Produkt zu entwerfen, welches mehr als fünf Jahre lang vertrieben wird.
Ihr früherer Geschäftspartner Hannes Wettstein (1958–2008) hat vor 30 Jahren mit der Firma Belux die Seilsystemleuchte «Metro» entwickelt. Sie haben die Seilsystemleuchte neu gedacht und mit «Hello» 2016 ein neues Produkt für dieselbe Firma entworfen. Muss Licht heute mehr können als früher?
Ja, Leuchten müssen heute mehr können. Einerseits ist die Energieeffizienz dank der LED-Technologie deutlich besser als die der Produkte mit Halogen- oder Glühlampen. Zudem müssen moderne Leuchten in zeitgemässe Gebäudesteuerungen integriert werden können. Das bedeutet, dass die Vorschaltgeräte und Treiber komplizierter ausfallen, als dies früher der Fall war. Bei der Hello war es mir ein Anliegen, aus zwei Spannkabeln eines zu machen. Das Trägerseil hat nur die Aufgabe, die Leuchtkörper zu tragen und führt keinen Strom mehr, so wie es die Metro tat. Dieser wird bei Hello mittels Spiralkabel von einem Leuchtkörper zum nächsten geführt.

Was war die Herausforderung beim Gestalten des Lautsprechers Master Line Source 2 für Piega?
Bei der MLS2 ist der konstruktive Aufbau sehr anspruchsvoll. Das Besondere daran sind die linear angegliederten Hoch- und Mitteltonbändchen, welche als Dipol funktionieren. Viele Lautsprecher auf dem Markt bilden formal die innere Technik ab, sie sind häufig expressiv und polarisieren stark. Ich wollte einen Lautsprecher entwickeln, der trotz komplexer Technik ein klares und nachvollziehbares Erscheinungsbild hat. Mein Konzept war es, durch die Lamellenlinse die Volumetrie zu beruhigen und den Lautsprecher als einen abgeschlossenen Körper lesbar zu machen. Die MLS2 sieht also wie ein archetypischer Standlautsprecher aus, der sich gut in diverse Räume integrieren lässt. Seine wahren Besonderheiten zeigen sich erst auf den zweiten Blick.
Sie entwickeln für die Immobilien-Dienstleistungsgesellschaft bonacasa ein neues Architekturkonzept. Was ist dabei die grösste Herausforderung?
Die Idee hinter bonacasa hat mich von Anfang an beeindruckt. Das Wohnkonzept bietet eine Basis für serviceorientiertes Wohnen, das sich generationenübergreifend etabliert und dabei auch an weniger finanzkräftige Personen denkt. Als Architekt haben mich vor allem die räumlichen Anforderungen interessiert. Der erste Bereich, den wir in den bonacasa-Standard überführen, ist das minimale Bad. Unser Konzept bietet vieles, und das auf kleinstem Raum. Es wird auch älteren Menschen gerecht, ohne dabei eine Pflegeheim-Atmosphäre auszustrahlen.
Muss beispielsweise das Bad ein Alleskönner sein? Die Sinne verwöhnen, smarte Funktionen haben – und dann noch generationenübergreifend sowie schwellenlos sein?
Die eierlegende Wollmilchsau ist nicht das Ziel. Wir haben versucht, eine möglichst funktionale Struktur zu definieren, welche rollstuhlgängig sein kann, ohne diese Eigenschaft auszustrahlen. Zudem wollten wir eine ansprechende Raumstimmung erzeugen, ohne dabei auf teure Oberflächen oder Apparate zurückzugreifen.
Die Idee hinter bonacasa hat mich von Anfang an beeindruckt. Das Wohnkonzept bietet eine Basis für serviceorientiertes Wohnen, das sich generationenübergreifend etabliert und dabei auch an weniger finanzkräftige Personen denkt.
Stephan Hürlemann, Designer

Holz scheint derzeit sehr beliebt. So sehr, dass es sogar Fliesen in Holzoptik gibt. Würden Sie dennoch einen Echtholzparkett, beispielsweise «Formpark», den Sie für den Schweizer Parketthersteller Bauwerk kreiert haben, in einem Bad verlegen?
Ich bin gar kein Freund von Pseudoprodukten, die etwas zu sein vorgeben, was sie nicht sind. Allerdings eignen sich die meisten Holzböden, darunter auch Formpark, für den Nassbereich nur mässig. Eine Holzart, die mit Wasser gut funktioniert, wäre Teak. Doch in der Schweiz sind wir, was Tropenhölzer anbelangt, sehr vorsichtig. Mit Recht. Doch Teak entspricht in Asien dem, was die Eiche hier in Europa ist. Es ist ein wunderbares Holz. Ich gehe davon aus, dass sich in den nächsten Jahren nachhaltig produziertes Teak in Europa etablieren wird. In diesem Fall würde ich damit auch Nassbereiche mit gutem Gewissen ausstatten.
Hat sich Design demokratisiert und sind intelligente Lösungen heute nicht mehr so elitär wie noch vor 30 Jahren?
Gutes Design hat für mich nichts mit einer elitären Gesellschaft zu tun. Ich bin der Überzeugung, dass man am Ende sparsamer lebt, wenn man sein Geld in Qualität investiert. Diese Philosophie ist seit der klassischen Moderne eine grosse Motivation für grossartige Entwürfe.
Zur Person
Stephan Hürlemann war der Partner von Hannes Wettstein, führte und prägte nach Wettsteins Tod (2008) das bekannte Studio Hannes Wettstein. Seit 2016 trägt die Firma seinen Namen: Hürlemann. Der studierte ETH-Architekt gehört heute zu den gefragtesten Designern der Schweiz.