Intelligent wohnen
Mietwohnungen – die Stiefkinder der digitalen Transformation
Der Originaltext ist erschienen in der Business News, Edition 3/15, von swissconsultants.ch
Von Dr. Alain Benz, Leiter Unternehmensentwicklung bei bonacasa
Während die digitale Transformation ganze Industrien und Branchen revolutioniert und sich Unternehmen den Kopf zerbrechen, wie sie ihre Produkte im Zuge der digitalen Transformation weiterentwickeln, bleibt die Wohnungswirtschaft vermeintlich gelassen. Die Digitalisierung wurde vernachlässigt, auch neu erstellte Wohnungen sind in den meisten Fällen weiterhin hochgradig analog. bonacasa ist hier die erfreuliche Ausnahme, da der Pionier bereits heute in seine Projekte Haustechnologie einbaut und so seine Wohnungen zu smarten Wohnungen macht.
Die Digitalisierung hat bei vielen, vormals analogen Produkten, wie beispielsweise dem Automobil, gravierende Spuren hinterlassen. Autos verfügen inzwischen über eine beeindruckende Vielfalt an Infotainment und Assistenzsystemen. Die Autobauer adaptieren die digitale Transformation, vernetzen ihre Fahrzeuge und integrieren digitale Funktionen sowie zusätzliche Serviceangebote für mehr Komfort und Sicherheit.
Bestimmt man den Digitalisierungsgrad des Produktes «Wohnung», wird man feststellen, dass dieses sich über die letzten Jahre, ja sogar Jahrzehnte, kaum verändert hat. Mehr als ein Telefon- und Fernsehanschluss sind in der Regel auch heute nicht vorhanden. Demgegenüber stehen die durchaus sehenswerten Innovationen der Domotik-Anbieter im Haustechnologiebereich, die unzählige Anwendungen, wie etwa Wohnungssteuerung, digitale Sicherheits- und Komfortfunktionen in der Wohnung ermöglichen. Vereinzelt werden diese Technologien von privaten Bauherren eingesetzt oder sind bei Premium-Wohnangeboten integriert. Den grossvolumigen Einsatz im institutionellen Mietwohnungsbau sucht man aber noch vergebens.

Gründe für die digitale Abstinenz
Einer der Gründe, der gegen den flächenmässigen Einsatz von Haustechnologie steht, ist die klassische Orientierung der Bauherren an den drei Attributen Lage, Wohnfläche und Ausbaustandard. Der beauftragte Architekt ist in der Regel auch kein Promotor für den Einsatz von Haustechnologie. Er konzentriert sich vornehmlich auf das Visuelle und die architektonische Gestaltung.
Der wichtigste Grund aber, warum das Produkt «Wohnung» das Stiefkind der digitalen Transformation ist, ist ein trivialer: Bis anhin war die Nachfrage nach neu erstellten Wohnungen an den meisten Standorten grösser als das Angebot. Der potenzielle Mieter ein Bittsteller beim Vermieter, der sich um eine vakante Wohnung sogar zusammen mit anderen Interessenten bewerben muss. Warum also etwas am Produkt ändern oder in eine Verbesserung investieren? Auch hat der Mieter im Allgemeinen noch kein Verständnis bzw. eine eigene Nachfrage nach Haustechnologie und den damit verbundenen Services als Bestandteil eines Wohnungsangebots entwickelt. Er hat wahrscheinlich noch nie in einer Wohnung gelebt, die damit ausgestattet war und vermisst sie dementsprechend auch nicht, wenn sie in einer neuen Wohnung nicht vorhanden ist.
Ein weiterer Grund für die abwartende Haltung: Immobilien gehören zu den langlebigsten Gütern überhaupt. Sie zeichnen sich durch eine Dauerhaftigkeit und eine Langlebigkeit von Jahrzehnten aus. Es gibt also berechtigte Investitionsvorbehalte bei Bauherren aufgrund der noch fehlenden dominanten Standards der Technologieangebote und des damit verbundenen Risikos, auf einen Standard zu setzen, der vielleicht schon bald obsolet ist.

Warum also etwas ändern?
Grundsätzlich stellt sich nun für Immobilienunternehmen die Frage, warum das Produkt Wohnung verändert, das Thema digitale Transformation antizipiert und in die aufgrund ihrer Neuheit sowie geringer Produktionsvolumen noch relativ teure Haustechnologie investiert werden soll? Drei Gründe sprechen dafür:
- Der Wettbewerb wird schärfer, es wird in manchen Regionen gar von einer Überhitzung des Immobilienmarktes gesprochen. Unter dieser Voraussetzung ist Differenzierung von Konkurrenzangeboten wichtig.
- Die demographische Veränderung der Gesellschaft erfordert das möglichst lange, autonome Leben in den eigenen vier Wänden. Haustechnologie kann als digitales Assistenzsystem die Sicherheit und den Komfort beim Wohnen für jüngere Menschen, aber auch in besonderem Masse von älteren Menschen, steigern.
- Die Haustechnologie mit ihren nützlichen Funktionen kann bei vermehrtem Einsatz in das Bewusstsein der Mieter gelangen und mit der Zeit zu einem «must have» werden. Ähnlich wie beim Auto lassen sich dann ältere Wohnungen mit fehlenden Sicherheits- und Komfortfunktionen nicht oder nur noch mit Mühe vermieten, wenn ein Mieter die entsprechende Infrastruktur als «Standard» voraussetzt. Die angesprochene Langlebigkeit von Immobilien ist eine Herausforderung, da das Nachrüsten von Haustechnologie in der Regel aufwändiger und teurer als ein Einbau bei Neubauten ist.
Eine Frage des Selbstverständnisses: Wohnraum vs. ganzheitliches Wohnerlebnis
Auf strategischer Ebene ist das Thema noch verzwickter. Es tangiert nämlich das grundlegende Selbstverständnis der Immobilienwirtschaft. Viele Branchen haben sich inzwischen zu mehr Serviceorientierung entwickelt. Oft sind heute die das Produkt ergänzenden Services ebenso wichtig wie das Produkt selber. In der Immobilienwirtschaft ist dieser Ansatz einigen Akteuren noch fremd; sie beschränken sich in ihrer Rolle darauf, Wohnraum zu erstellen und diesen zu verkaufen bzw. zu vermieten. Erst wenige Immobilienunternehmen werten ihre Angebote durch Mehrwertangebote auf. Denn ganzheitliche Wohnangebote erfordern neben digitalen Services mitunter auch physische Dienstleistungen. Der Wohnraumanbieter muss diese aufwändig selbst für den Mieter erbringen oder mit einem Anbieter kooperieren, der den Servicebereich abdeckt. In beiden Fällen wird die Rolle des Immobilienunternehmens vom reinen Wohnraumanbieter hin zu einem Anbieter eines umfassenderen Leistungsangebots erweitert.

Mieter-, nicht Technologieorientierung
Mit der Digitalisierung von Wohnungen bzw. dem Einsatz von Haustechnologie ist somit auch ein Mehraufwand verbunden, da neben Mehrkosten beim Bauen die Komponenten zu einem ganzheitlichen Konzept zusammengeführt werden müssen. Die bonacasa AG verbindet dafür unterschiedliche Bereiche und orientiert sich an den Bedürfnissen der Mieter. Nicht die Technologie und die digitalen Möglichkeiten stehen im Fokus, sondern die Bedürfnisse der Mieter nach mehr Sicherheit und Komfort. Diese sind Treiber für die Konzeption sinnvoller Funktionen. Die Haustechnologie ist ein Element, das mit anderen Bereichen zu einem ganzheitlichen und zeitgemässen Wohnerlebnis verbunden wird. Zentral ist die schwellenfreie Bauweise, die Grundlage für eine hohe Wohnqualität ist. Ein digitaler Schlüsseltresor ermöglicht eine Rund-um-die-Uhr-Intervention durch Rettungskräfte im Notfall – auch bei verschlossenen Türen.
In den Wohnungen ermöglicht die Haustechnologie neue Funktionen. Die Videogegensprechanlage, die Heizungssteuerung und Stromverbrauchsmessung können über ein digitales Wohnungsportal vernetzt und auch über das Smartphone sowie das Tablet bedient werden. Die Wohnsicherheit wird zum Beispiel erhöht, indem über digital vernetzte Lichtschalter bei bonacasa nicht nur das Licht ein- und ausgeschaltet werden kann, sondern zusätzlich auch das Notrufgerät aktiviert und eine Sprechverbindung mit der Notrufzentrale aufgebaut werrden kann. Aber auch die passive Alarmierung über Sensoren wie Rauchmelder oder Inaktivitätstracking (Alarm bei Nichtaktivität eines Bewohners über mehrere Stunden) werden möglich. Beispiele für weitere Funktionen sind:
- Ein Klick auf den Schalter «In» im Eingangsbereich schaltet in der ganzen Wohnung die gewünschten Lichter ein, öffnet die Rollläden und startet die vom Bewohner gewünschten elektrischen Geräte (z.B. Multimediasystem).
- Ein Klick auf den Schalter «Out» schaltet beim Verlassen der Wohnung alle Lichter aus, schliesst die Rollläden und deaktiviert elektrische Verbraucher. Angst vor Bügeleisen und Herdplatten, die beim Verlassen der Wohnung noch in Betrieb sind, oder ener giefressendes Stand-By von Elektrogeräten gehören damit der Vergangenheit an.
- Beim Drücken der Ferien-Funktion wird eine digitale «Anwesenheitssimulation» (Lichter nach Zufall ein/aus sowie Rolläden rauf/ runter) aktiviert, die vor Einbrechern schützt und den Energieverbrauch reduziert, weil während der Abwesenheit die Heizung heruntergefahren wird.

Wie geht es weiter?
Bei der bonacasa sind wir als Pioniere überzeugt, dass die Entwicklung vorangehen wird. Für uns ist die Digitalisierung von Wohnungen bzw. die Ausstattung mit sinnvoller Haustechnologie mit mieterorientierten Funktionen im Bereich Sicherheit und Komfort ein Differenzierungsmerkmal.
Diese digitalen Funktionen gehören unserer Meinung nach ebenso zu einem integrierten Wohnerlebnis wie die schwellenfreie Bauweise und die wahlweise beziehbaren Sicherheits- und Komfortdienstleistungen.
Wenn sich belastbare Standards für die Haustechnologie etablieren, die Produkte bei Installation und Anwendung noch einfacher und aufgrund höherer Produktionsvolumen zukünftig günstiger werden, sind wir überzeugt, dass sie sich im institutionellen Wohnungsbau in der Breite durchsetzen werden. Ähnlich wie die Connectivity und die digitalen Assistenzsysteme im Auto wird die Haustechnologie mit ihren digitalen Services in einigen Jahren zum breit etablierten Wohnstandard gehören.